Die „Goldene Tonne“ rettet Lebensmittel im Landkreis Osnabrück
Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, werden Menschen zur Verfügung stellen. Dieses Prinzip setzt direkt am Ort des Geschehens an: Die 15 Supermärkte des Inhabers Guido Gartmann im Landkreis Osnabrück sind seit 2021 um „Goldene Tonnen“ reicher. Dort hinein kommen Lebensmittel, die der Supermarkt nicht mehr verkaufen kann, die aber noch zu gut sind, um sie zu entsorgen. Wir sprachen mit dem Inhaber und Initiator Guido Gartmann über seine Beweggründe, Herausforderungen und seine bisherige Bilanz.
Herr Gartmann, was können wir uns unter der „Goldenen Tonne“ vorstellen?
Die Goldene Tonne ist eine neu gekaufte, große 1100 Liter Mülltonne. Diese haben wir Gold angesprüht, vorne aufgeschnitten und Regale eingebaut. Auch ein Kühlschrank hat seinen festen Platz. In jeder Filiale steht die Goldene Tonne jetzt im Foyer und wird von uns mit Lebensmitteln befüllt, die noch essbar sind, die wir jedoch nicht mehr verkaufen können oder möchten.
Was hat Sie dazu bewogen sogenannte Goldene Tonnen aufzustellen?
Schon meine Oma hatte hier einen Lebensmittelladen und auch ihr war es damals wichtig, dass wir so wenig Lebensmittel wie möglich entsorgen. In den vergangenen Jahren hatten wir in den Geschäften immer Kisten mit Lebensmitteln, aus denen sich die Kund*innen kostenlos bedienen durften. Als meine Tochter dann regelmäßig in anderen Supermärkten containern war, hat sie bemerkt, wie viel woanders im Müll landet und nicht mehr appetitlich ist, wenn man es aus einer echten Mülltonne rausholt, obwohl es noch essbar ist. Sie hatte dann die Idee, dass wir eine neue Mülltonne kaufen und aufschneiden, Gold ansprühen und darin die aussortieren Lebensmittel anbieten. Dazu gibt es ein Plakat zum Thema Lebensmittelverschwendung. Offensichtlich hat dies viel mehr Wirkung, auch medial, als eine normale Kiste. Letztendlich ist die Idee alt, nur die Verpackung ist neu.
Hatten Sie denn zu Beginn Vorbehalte oder dachten, dass Sie dadurch z. B. weniger verkaufen?
Nein, Lebensmittel verschenkt haben wir schon immer. Und dass wir deswegen weniger verkaufen, hat sich auch nicht gezeigt. Neben den Menschen, die hier einkaufen, kommen auch Menschen, die sonst woanders ihre Einkäufe tätigen.
Nach welchen Kriterien befüllen Sie die Goldene Tonne?
Hinein kommen nur Lebensmittel, die noch essbar sind. Zum Beispiel älteres Obst und Gemüse oder abgepacktes Brot mit nahendem oder überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Der Kühlschrank ist z. B. für Molkereiprodukte oder abgepackte Wurstwaren. Fisch, Fleisch, Wurst aus der Metzgerei oder Lebensmittel, die von der Industrie zurückgerufen wurden, werden darin nicht abgegeben. Auch keine Lebensmittel, die ein Verbrauchsdatum („Verbrauchen bis…“) tragen.
Wie nehmen die Kund*innen die Goldene Tonne wahr?
Wir bekommen viel positive Rückmeldung. Menschen, die sich dort selbst nichts rausnehmen, melden es uns trotzdem zurück, was für ein tolles Angebot es ist. Die Nutzer*innen bedanken sich bei mir oder meinem Team. Oftmals warten sie draußen, bis die Goldene Tonne kommt und dann kann es passieren, dass diese in drei Minuten leer ist. Mich stört das nicht. Ich freue mich, wenn die Lebensmittel die richtigen Leute erreichen, die sie brauchen und nutzen. Daher gibt es auch keine maximale Entnahmemenge. Mir ist es wichtig, dass die Lebensmittel gegessen werden und nicht im Müll landen. Eine Studentin der Hochschule Osnabrück hat eine Umfrage gestartet, die sich an die Nutzer*innen richtet. Ich bin schon gespannt auf die Ergebnisse.
Gibt es denn auch negative Effekte wie Mehrarbeit oder dass die Tafel weniger erhält?
Die Reinigung der Tonne ist tatsächlich Arbeit und auch darauf zu achten, dass es drum herum ordentlich aussieht, wenn die ersten Nutzer*innen da waren. Das Befüllen der Tonne läuft nebenbei, es ist also kein Mehraufwand. Auch das Team steht da ja hinter und ärgert sich nicht über diese Art der Arbeit. Die Tafel bekommt weiterhin so viel wie früher, das ist nicht weniger geworden. Sie erhalten sowieso eher Überbestände und vergünstigte Konditionen und nicht einzelne Produkte. Wenn die Tafel oder Kindertafel klingelt, bin ich bereit, gewünschte Lebensmittel zu spenden. Wir haben auch regelmäßig die Aktion „Kauf 2, spende 1“ und unterstützen die Tafeln damit.
Haben Sie neben der Goldene Tonne noch weitere Maßnahmen, um die Lebensmittelabfälle zu reduzieren?
Ja tatsächlich, da mir das wirklich wichtig ist, dass wir so wenig entsorgen wie möglich.
Wir haben z. B. ab 19 Uhr die Retter-Zeit für unsere Pre-Back Artikel (Selbstentnahme von Backwaren), dies bedeutet eine Reduzierung der Backartikel um 50 %. Dann gibt es drei Orte im Geschäft, wo Artikel mit nahendem MHD vergünstigt angeboten werden, zum Beispiel Käse, Feinkostsalate oder auch Plätzchen. Wir beliefern außerdem regelmäßig ein Kloster in Osnabrück mit unverkäuflichen Lebensmitteln, die sie verarbeiten und in ihrer Suppenküche rund 140 Menschen anbieten. Und sogar dem Zoo kann noch Gemüse und Obst gespendet werden.
Das einfache Wegwerfen wäre übrigens einfacher und sogar günstiger als das ganze Sortieren, Umetikettieren, Verräumen und oder zum Kloster zu fahren. Aber das kommt nicht in Frage.
Kennen Sie weitere Lebensmitteleinzelhändler, die sich so aktiv für Maßnahmen entschieden haben, Lebensmitteln eine zweite Chance zu geben?
Ich weiß, dass auch andere Kaufleute ganz viel machen. Was genau entscheidet jeder selbst. Auch andere spenden oder verschenken Lebensmittel, nur eben nicht in einer Goldenen Tonne. Vielleicht ja „noch nicht“.
Die Goldenen Tonnen stehen nun seit fast 3 Jahren in Ihren Märkten. Welche Zwischenbilanz würden Sie ziehen?
Eindeutig: weitermachen! Es fühlt sich gut und richtig an.
Lieber Herr Gartmann, wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Lebensmittelrettung und Weitergabe der noch essbaren Leckereien!