ZEHN - Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen

Schnippeldisko gegen Lebensmittelverschwendung

Am 19. Januar 2024 veranstaltete Slow Food Youth in Berlin eine Schnippeldisko. Rund 300 freiwillige Schnippler*innen beteiligten sich, um für die Teilnehmenden der „Wir haben es satt - Demo“ Suppe und Salat vorzubereiten. Wir haben mit Clara Bobbert, eine der Verantwortlichen für die Organisation dieser Schnippeldisko, gesprochen.

Schnippeln auf Holzbrett
© ZEHN

Clara, aus welchen Gründen engagierst du dich bei Slow Food Youth Deutschland?

Ich komme selbst von einem Biohof und die Themen rund um den Slogan „Gut, sauber, fair“ stehen mir daher sehr nah. Ich finde, dass gute Lebensmittel ein großer Mehrwert im Alltag sein können: das gemeinsame Vorbereiten, Kochen und Essen. Schmackhafte Lebensmittel erweitern den Horizont, stehen aber leider nicht allen zur Verfügung.

Seit 2019 bin ich nun ein aktives Slow Food Youth Mitglied und engagiere mich vor allem, um den Wandel hin zu einem wirklich zukunftsfähigen Ernährungssystem, das alle mit guten, sauberen und fairen Lebensmitteln versorgt, voranzutreiben. Dies ist mein erstes Jahr, in dem ich die Schnippeldisko mitorganisiere.

 

Wie viel Zeit nimmt die Organisation in Anspruch?

Wir sind im Orga-Team zu fünft. In den letzten drei Monaten haben wir viel organisiert, z. B. die Location und DJs ausgesucht, bei Höfen um Gemüse gebeten, dass nicht mehr vermarktet werden kann und nicht zuletzt weitere Helfende organisiert, die uns heute, während der Schnippeldisko, beiseite stehen. Außerdem haben wir ein Begleitprogramm organisiert – damit Schnippler*innen sich zwischendurch auch durch Vorträge und andere Formate rund um die Ernährungswende informieren können.
Das Equipment stellt das Kochkollektiv Fläming Kitchen bereit. Sie haben große Kochtöpfe, Kellen, Schneidebretter und Wannen. Die ganze Schnippeldisko ist großes Teamwork. In den letzten zwei Tagen sind wir dann auf die Höfe gefahren und konnten die Lebensmittelspenden abholen.

Am Veranstaltungstag selbst ist es wichtig, den Überblick zu behalten: Darüber welches Gemüse als erstes dran ist, dass niemand beginnt, Kartoffeln zu schälen, obwohl sie zuvor gewaschen wurden. Jemand muss die Regeln weitergeben, die Wannen nicht auf den Fußboden zu stellen. Oder wir sorgen für Ablösungen an der kalten Waschstraße draußen und bestimmen jemanden der für ständig warmes Wasser dort sorgt. Weil viele Dinge gleichzeitig im Auge behalten werden müssen, haben wir vorher die Helfer*innen organisiert. Sie tragen extra Warnwesten, damit jede*r sie bei Fragen sofort ansprechen kann. Zwischendurch machen wir außerdem immer kleine Ansagen, um aktuelle Informationen an alle durchzugeben.

 

Wo bekommt ihr die Lebensmittel her und worauf legt ihr Wert?

Die Lebensmittel stammen zusammen von acht Höfen, rund um Berlin. Große Höfe haben z B.  500 kg Kartoffeln und 200 kg Kürbis gespendet, kleinere Höfe 75 kg Zwiebeln. Darüber hinaus gab es Kohlrabi, Rote Bete, Möhren und Pastinaken.
Außerdem haben uns vier Bäckereien frisches Brot in Bioqualität gespendet. Das ist natürlich super! Aber in erster Linie geht es uns darum, Lebensmittel zu retten. Rund ein Drittel der Lebensmittel, die wir erzeugen, werden nicht gegessen, sondern landen in der Tonne – z. B. weil Verbrauchende nicht wissen, dass sie noch gut sind oder weil landwirtschaftliche Betriebe Gemüse, das nicht perfekt aussieht, zu klein, zu groß oder zu krumm ist, nicht vermarkten können. Indem wir diese Lebensmittel hier verarbeiten, möchten wir zeigen: Aus diesem Brot von gestern oder den Kartoffeln mit kleinen Stellen kann etwas richtig Leckeres gekocht werden. Bei der fertigen Suppe und dem Salat legen wir Wert darauf, dass möglichst jede*r mitessen kann. Daher kochen wir immer vegan. Ein paar Dinge wie Zitronensaft für den Salat, Gewürze und Öl kaufen wir noch zu oder es wird uns gespendet.

 

Was findest du an diesem Event besonders toll?

Mit gefällt die Gemeinsamkeit. Man sitzt zusammen am Tisch mit netten, neuen Leuten und unterhält sich über politische Themen, aber auch über ganz andere Dinge. Beim Verarbeiten entstehen Fragen wie „Können wir diese angefressene Kartoffel noch nutzen?“ –  und schon entsteht ein Austausch darüber, was alles noch essbar ist. Während der Vorbereitung tausche ich mich entlang der ganzen Wertschöpfungskette mit Menschen aus, habe Kontakt zu Landwirt*innen, die mir z. B. erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass die Möhren dieses Jahr so groß sind oder wann der Kürbis verfroren ist.

Unser derzeitiges Ernährungssystem ist nicht zukunftsfähig, sondern eher destruktiv: Böden werden unfruchtbar, Menschen werden ausgebeutet. Ich weiß: so kann es nicht weitergehen.  Bei solch einem Event ist es schön zu sehen, dass wir selbst einen Unterschied machen können. Jede*r, auch über Slow Food hinaus, kann mitmachen. So schafft das Thema Lebensmittelwertschätzung mehr Aufmerksamkeit.

 

Was glaubst du, was den Teilnehmenden hier besonders gut gefällt?

Ich glaube, dass sind ganz unterschiedliche Dinge. Es gibt viele, die für das ganze Wochenende rund um die „Wir haben es satt - Demo“ anreisen. Am Freitag hat es sich etabliert hier fleißig zu schnippeln, was dann am Samstag nach der Demo für alle als warmes Essen angeboten wird. Diese Leute treffen sich hier spätestens nach einem Jahr wieder. Es sind aber auch neue Leute dabei, die einfach mal gucken wollen, die helfen wollen, und denen es vorrangig um die Lebensmittelverschwendung geht.  

 

Welche Tipps würdest du Leuten geben, die noch nie eine Schnippeldisko angeboten haben?

Mein wichtigster Tipp ist: einfach loslegen und aus den Erfahrungen lernen! Für eine einfache Schnippeldisko braucht man nicht viel - Gemüse, einfache Kochutensilien und Musik machen schon den Kern aus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir, das Organisationsteam dieses Jahres, auch noch keine Schnippeldisko organisiert. Jetzt habe ich dieses Mal so viele Dinge gelernt, dass ich nächstes Jahr unbedingt wieder bei der Organisation dabei sein möchte!

Was ich gelernt habe, ist eine klare Aufgabenverteilung, sowohl während der Organisation als auch während der Schnippeldisko, ist das super wichtig. Es gibt so viele unterschiedliche Dinge zu beachten, da kann es sehr helfen, wenn es eine Taskforce „Gemüse“ gibt, die sich nur um Organisation und Abholung der Lebensmittel kümmert. Eine andere Gruppe, die nachher nur fürs Kochen zuständig ist, eine Person, die die DJs betreut etc.

 

Zum Raum: Gibt es wichtige Anforderungen?

Zum einen entstehen Anforderungen individuell durch den Veranstaltungsort. Etwa welche Technik vorhanden ist, die die DJs für die Musik benötigen.Außerdem brauchen die Tische viel Platz, an die Menschen sich zum Schnippeln setzen können. Andere Anforderungen entstehen durch die Kochsituation – soll z. B. draußen gekocht werden, darf dort ein Wasseranschluss nicht fehlen. Weil Musik fester Bestandteil ist, muss eigentlich immer eine Anmeldung der Veranstaltung bei der Gema erfolgen. Ob Sanitäter*innen notwendig sind, kommt auf den Veranstaltungsort und die Größe an. Wichtig ist auch, sich um notwendige Versicherungen zu kümmern.

 

Habt ihr für dieses Jahr noch weitere Schnippeldikos geplant?

Das war bestimmt nicht unsere letzte Schnippeldisko dieses Jahr. Am letzten Samstag im April, dieses Jahr der 28., ist immer „World Disco Soup Day“, also ein Tag der nur der Schnippeldisko gewidmet ist. Da wird es deutschlandweit auf jeden Fall Angebote geben.
Falls Ihr informiert bleiben wollt, folgt uns gerne auf Instagram: @slowfoodyouthdeutschland oder behaltet den Veranstaltungskalender von Slow Food Deutschland im Blick.

 

Und, wird es im nächsten Januar wieder eine Schnippeldisko geben?

Ja! Auch im nächsten Jahr wird es am Freitag vor der „Wir haben es satt - Demo“ wieder eine Schnippeldisko geben!

 

Liebe Clara, wir danken Dir für das spannende Interview! Rund um den 2. Mai 2024 möchte das ZEHN Schnippeldiskos in ganz Niedersachsen initiieren als Zeichen gegen Food Waste. Wir freuen uns, wenn Ihr auch mit dabei seid! Informationen dazu findet Ihr hier.