Als Schweinehalterin auf dem Gemüseacker?
Kurzer Faktencheck: Wie wir uns aktuell ernähren ist weder gut für die Gesundheit des Menschen, noch für den Planeten. Die Lösung: Den Einkaufskorb umstrukturieren. Mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und dafür weniger Fleisch, Fisch, Eier und Milch. In der Fachsprache wird eine sogenannte „pflanzenbetonte Ernährung“ empfohlen.
Soweit die eine Seite. Doch wo kommen diese Lebensmittel her? Wenn wir den Anteil pflanzlicher Lebensmittel in unserer Ernährung steigern, wie würde sich das auf die Landwirtschaft auswirken? Wir haben nachgefragt und sprechen mit Anneke Kreißig, Junglandwirtin aus Niedersachsen.
Anneke, du bist hauptberuflich Schweinespezialberaterin und bewirtschaftest nebenbei mit deinen Eltern einen Betrieb mit Sauenhaltung. Warum engagierst du dich bei den Junglandwirten Niedersachsen?
Auch nach meinem Landwirtschaftsstudium ist es mir im Betriebsalltag wichtig, Kontakte zu halten, mich auszutauschen und weiterzubilden. Das geht im Verein „Junglandwirte Niedersachsen e. V.“, in dem ich mich mittlerweile im Vorstand engagiere. Als Landesvorstand vertreten wir die Interessen der niedersächsischen Junglandwirt*innen gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen. Unsere Regionalgruppen in ganz Niedersachsen organisieren politische und fachliche Vorträge, betreiben Öffentlichkeitsarbeit und unternehmen deutschlandweite Fahrten, um uns auch über unseren Tellerrand hinaus fortzubilden. Das Zusammensein bringt mich für den eigenen Betrieb immer auf neue Ideen!
Immer wieder gibt es Berichte, dass die Situation auf den Höfen – gerade in der Schweinehaltung – dramatisch ist. Vor welchen Herausforderungen steht die Branche?
Wir Schweinehalter*innen stehen im Zwiespalt zwischen unsicheren politischen Rahmenbedingungen, dem Ruf der Gesellschaft nach mehr Tierwohl und der gleichzeitigen „Geiz ist Geil“-Mentalität der Kund*innen an der Ladentheke. Hinzu kommen unbeständige Märkte, welche von Ländern dominiert werden, die günstiger und unter weniger Auflagen als wir produzieren können, mangelnde Nachwuchskräfte auf dem Land und die Entwicklung von Fleisch aus dem Reagenzglas. Ein wahnsinniges Gefühls- und Gedankenchaos, gerade für uns Junglandwirt*innen, die wir am Anfang unserer Karriere stehen und jetzt entscheiden müssen, wie wir uns für die nächsten 30 Jahre unseres Berufslebens aufstellen wollen.
Der Fleischkonsum in Deutschland sinkt. Zahlen für 2022 zeigen, dass 52 kg pro Person verzehrt wurden. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist dieser Trend absolut notwendig und muss noch viel weiter gehen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt maximal 15,5 - 31 kg pro Jahr. Wie bewertest du das aus deiner Perspektive?
In den letzten zwei Jahren haben wir deutlich gemerkt, dass die Nachfrage nach Schweinefleisch im Inland gesunken ist, was in Kombination mit Inflation, steigenden Energiepreisen und Co. zu einem enormen Preisdruck geführt hat. In 2022 haben ca. 10 % der Schweinehalter*innen ihre Arbeit aufgegeben. Wir zuhause konnten diese Phase glücklicherweise überstehen.
In einer gut funktionierenden Kreislaufwirtschaft brauchen wir tierischen Dünger, mit dem wir die Pflanzen für den pflanzlichen Teil unserer Ernährung düngen können. Und auch Wissen und Verständnis in der Bevölkerung über Landwirtschaft und Ernährung sind wichtig. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen sich wieder mehr mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen, auch schon in der Schule. Daraus könnte letztlich auch eine höhere Wertschätzung für unsere Nahrungsmittel resultieren.
Das Thünen-Institut hat einen Blick in die Zukunft gewagt und abgeleitet, dass sich veränderte Ernährungsgewohnheiten im Sinne von „mehr pflanzlich, weniger tierisch“ durchaus positiv auf das Einkommen der Landwirt*innen auswirken könnten. Das sei allerdings abhängig von Land, Region und Betriebsart. Betriebe, die Obst und Gemüse produzieren, könnten bis zu 30 % mehr Einkommen erwirtschaften. Wäre es für deinen Betrieb ein denkbares Szenario auf diese Betriebszweige umzustellen?
Wie ein Betrieb funktionieren kann, hängt von vielen Faktoren ab.
- Die erste Frage ist für mich: Wie möchte ich überhaupt arbeiten? Ich bin Tierhalterin, weil mir die Arbeit mit Tieren viel Spaß macht. Ich bin kein Ackerbauer, das reizt mich einfach nicht.
- Die nächste Frage ist: Besitze ich Böden in Breitengraden, auf denen Obst- oder Gemüseanbau möglich ist? Wir bewirtschaften beispielsweise Ackerflächen, die sich sehr gut für Getreideanbau eigenen, aber nicht per se für Gemüse.
- Natürlich müsste ich mich in diesem Gebiet fortbilden – das wäre sicher noch das geringste Problem.
- Schwieriger sieht es bei der Vermarktung aus: Sicher ist es ein Versuch, einen Teil der Erzeugnisse direkt zu vermarkten. Das ist aus meiner Sicht allerdings nur im Speckgürtel von Großstädten in der Form möglich, um wirklich davon leben zu können. Das Problem daran: Ich konkurriere mir großen Playern und Großbetrieben, die schon länger in der Produktion sind und größere Mengen günstiger produzieren können. Oder gar der Konkurrenz aus dem Ausland, die mit weniger Auflagen und geringeren Löhnen deutlich günstiger nach Deutschland liefern können. Das heißt: Mit kleinen Mengen den Anfang zu machen, wird im Vergleich sehr teuer und schwer. Möchte ich direkt in größerem Stil einsteigen, brauche ich viel Startkapital für Maschinen etc.. Dieses Geld muss ich irgendwo hernehmen.
- Und zu guter Letzt: Obst- und Gemüseanbau bedeutet eine Menge Arbeit. Ich bin, je nach Größe, auf viele Fremdarbeitskräfte für Anbau, Ernte oder Logistik angewiesen. Das ist nach wie vor körperliche Arbeit, die unsere deutschen, gut ausgebildeten Mitbürger*innen nicht machen wollen. Es ist sehr schwer, landwirtschaftliche Arbeitskräfte zu finden.
Mein Fazit: Für mich würde solch eine Umstellung ein großes unternehmerisches Risiko bedeuten. Ich würde das Territorium verlassen, auf dem ich gut bin.
Gleichzeitig würde es laut der Modellierung bedeuten, dass Erzeuger*innen tierischer Produkte mit Einkommenseinbußen rechnen müssten. Um dies abzufedern müsse es politische Unterstützung geben. Welche Art von politscher Unterstützung wünscht du dir als Junglandwirtin für die Zukunft?
Aus meiner Sicht muss es nicht zwangsläufig auf wirtschaftliche Einbußen hinauslaufen. Angebot und Nachfrage regeln den Markt. Aber wenn wir unsere Tiere unter tierwohlgerechteren Bedingungen halten sollen, brauchen wir politische Unterstützung und vor allem eine faire Bezahlung:
In erster Linie ist langfristige Planbarkeit wichtig. Derzeit ändern sich die politischen Trends und Rahmenbedingungen ständig. Ein Stall(um-)bau kostet mich mehrere Millionen Euro. Ich brauche mindestens 20 Jahre, um den Kredit zurückzuzahlen. Es sind klare Vorgaben nötig, wie so ein Stall zukünftig aussehen soll, damit er auch dann in 20 Jahren noch gesetzeskonform ist. Zusätzlich brauche ich ein Finanzierungskonzept, Bauzuschüsse oder Vermarktungsverträge. Für den Bau an sich muss eine Baugenehmigung vorliegen, die aber unter den derzeitigen Vorgaben nur sehr schwer zu erreichen ist.
Darüber hinaus ist aber auch klar: Von all diesen politischen Unterstützungsfaktoren unabhängig – aber ganz entscheidend – sind Verbraucher*innen, die meine Produkte wertschätzen und kaufen.
Liebe Anneke, du hast uns viel mit auf den Weg gegeben: Einen bestehenden Betrieb auf andere Zweige umzustellen, ist nicht einfach und von vielen Faktoren abhängig. Die Landwirt*innen in Niedersachsen werden sich aber veränderten Ernährungsgewohnheiten anpassen (müssen). Um hier Klarheit zu schaffen und den Weg zu ebnen, ist es wichtig, dass nicht nur Ernährungsempfehlungen und landwirtschaftliche Erzeugung zusammenpassen, sondern auch politische Rahmenbedingungen und die Wertschätzung in der Gesellschaft. Vielen Dank für das interessante Interview mit dem wir einen kleinen Perspektivwechsel anregen durften.