ZEHN - Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen

„Niemand kocht gern für die Tonne“

Etwa 1,7 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich in Deutschlands Kantinen, Mensen und Restaurants im Müll. Manuela Kuntscher vom Johann Heinrich von Thünen-Institut aus Braunschweig erklärt, wie sie Betriebe gemeinsam mit der Universität Stuttgart dabei unterstützen, weniger wegzuwerfen. Und die Menschen in den Betrieben sind offen für ihre Ideen.

Manuela Kuntscher_Interview
© Manuela Kuntscher

Frau Kuntscher, gemeinsam mit der Universität Stuttgart haben Sie vom Thünen-Institut das Projekt „ELOFOS“ durchgeführt. Dabei haben Sie untersucht, warum Lebensmittel in Hotels und Kantinen entsorgt werden. Welche Rolle spielt denn der Bereich „Außer-Haus-Verpflegung“, wenn es um Lebensmittelabfälle geht?

Kantinen und Hotels gehören zu dem Bereich der sogenannten „Außer-Haus-Verpflegung“, den wir uns bei unserem Projekt „ELOFOS“ genauer angesehen haben. Wenn es um Lebensmittelabfälle geht, spielt dieser eine besondere Rolle: Vom Acker bis auf den Teller braucht es Ressourcen, um unsere Lebensmittel zu produzieren. Für eine Kartoffel beispielsweise braucht es Land, Dünger, Personal und Maschinen für den Anbau. Je weiter wir aber in der Wertschöpfungskette voranschreiten, desto mehr Ressourcen stecken in dem Produkt. Die Kartoffel wird noch sortiert, verpackt und transportiert. Die Küche ist dann die letzte Station, aber auch dort wenden Menschen unter anderem Energie und Wasser auf, um sie zuzubereiten. Kurz gesagt: Bleibt die Kartoffel als Rest auf dem Teller des Gastes zurück, stecken darin weitaus mehr Ressourcen, die verschwendet werden, als würde sie direkt auf dem Acker verbleiben.

Deshalb spielt die Außer-Haus-Verpflegung eine wichtige Rolle, wenn wir Lebensmittelabfälle reduzieren wollen. Etwa 14 % der gesamten Lebensmittel, die verloren gehen, lassen sich auf diesen Bereich zurückführen – das sind 1,7 Millionen Tonnen.

Außerdem lässt sich in Betrieben der Außer-Haus-Verpflegung einiges an Lebensmittelabfällen einsparen: Rund 30 bis 50 % der weggeworfenen Menge, wie „United Against Waist e.V.“ berechnet hat.

Und ein dritter wichtiger Faktor, warum wir in der Außer-Haus-Verpflegung ansetzen: Dort gehen viele Menschen ein und aus. Für die können Betriebe eine gute Vorreiter-Rolle einnehmen.

 

Nehmen Sie wahr, dass Betriebe auch von sich aus den Wunsch entwickeln, weniger zu verschwenden?

Auf jeden Fall! Das hat natürlich wirtschaftliche Gründe: Wer Lebensmittel verschwendet, verschwendet auch Arbeitszeit des Personals und Energie. Aber es gibt auch ein persönliches Interesse der Menschen, die in den Betrieben arbeiten. Ein Küchenleiter hat mir in einem Interview mal gesagt, dass niemand gerne für die Tonne kocht. Lebensmittelabfälle zu reduzieren gehöre zur Berufsehre eines Koches. Das fasst es ganz gut zusammen.

In den Betrieben wird aber auch schon einiges getan, um Abfälle zu reduzieren. Und dort ist man sehr offen für unsere Ideen. Natürlich muss der Betrieb aber gleichzeitig auch darauf achten, dass die Gäste zufrieden sind. Das ist manchmal nicht so einfach, denn die Anzahl der Gäste sowie die Nachfrage nach Speisen ist nicht jeden Tag gleich.

 

Mit Ihrem Forschungsprojekt haben Sie sich das Ziel gesetzt, Empfehlungen für Kantinen und Hotels zu entwickeln, damit weniger weggeworfen wird. Wie sind Sie da herangegangen?

Wir haben einen Schwerpunkt auf Betriebe mit Buffet und Ausgabeservice gelegt. Unser Projektpartner, die Universität Stuttgart, ist direkt in Hotels und Reha-Kliniken gegangen und hat Abfälle gewogen und die Ergebnisse mit der Küchenleitung besprochen. Gemeinsam haben sie Maßnahmen überlegt und die auch umgesetzt.

Wir vom Thünen-Institut haben Fragebögen an Küchenleitungen versendet und Interviews durchgeführt. Im letzten Schritt haben wir alles zusammengetragen und Handlungsempfehlungen und Maßnahmen entwickelt.

 

Welche Empfehlungen können Sie jetzt geben?
Wir haben das in drei Empfehlungen aufgeteilt:

  1. Abfall-Monitoring: Genau das, was die Universität Stuttgart während der Untersuchung gemacht hat, empfehlen wir auch den Betrieben. Einfach mal schauen, wo der Abfall anfällt: Zum Beispiel im Lager, in der Produktion oder als Rest auf dem Teller? Im besten Fall kann man sogar sagen, wie viel Abfall aus einer Lebensmittelgruppe anfällt, z.B. wie viel Käse oder Backwaren. Wenn ich dann feststelle, dass beim Frühstück immer zu viele Brötchen zurückkommen, reduziere ich das Angebot. Ein toller Effekt des Monitorings: Sobald man anfängt zu messen, ist das Personal sensibilisiert. Dann möchte jede und jeder auch von sich aus etwas ändern.
  2. Küchen und Servicepersonal fördern: Wir haben von Küchenleitungen das Feedback bekommen: Abfälle reduzieren ist eine Team-Aufgabe. Da müssen alle an einem Strang ziehen, eine gute Kommunikation ist wichtig. Das Personal ist direkt am Gast und bereitet die Speisen zu. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gute Ideen. Die sollten gehört und mit Expert*innen abgestimmt werden.
  3. Gastbereich optimieren: Da gibt es verschiedene Maßnahmen. Zum Beispiel kurz vor Ende der Buffetzeit kleinere Mengen nachlegen oder Speisen wie Rührei auf Nachfrage frisch zubereiten. Auch aktiv Wunschkomponenten zu erfragen, ist eine gute Idee: Wenn der Gast direkt am Tresen gefragt wird, welche der Beilagen er oder sie möchte, bleibt meist weniger auf dem Teller zurück.   

Aber alle Betriebe sind natürlich sehr unterschiedlich, von Personal bis Ausgabe-Systeme variieren die Strukturen. Ein Betrieb muss sich unsere vorgeschlagenen Maßnahmen daher in Ruhe anschauen, bewerten, ob sie passen und diese dann eventuell noch auf den eigenen Betrieb anpassen.

 

Was braucht es, damit diese Empfehlungen auch in die Praxis umgesetzt werden?

Es braucht Betriebe, die zeigen wie es klappt und als gutes Beispiel vorangehen. Ein guter Austausch zwischen Küchenleitungen hilft, sei es in einem Betrieb zwischen verschiedenen Standorten oder auch unter einzelnen Unternehmen. So können sie voneinander lernen.

Betriebe sollten Vorschläge vom Küchen- oder Servicepersonal nutzen. Außerdem gibt es externe Schulungs- und Beratungsangebote. Die richtige Anlaufstelle dafür ist die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung. Die bringt all das Wissen in die Praxis, spricht Betriebe an und ist auch selbst Ansprechpartner. Dort können sich interessierte Betriebe informieren. Hinter der Kompetenzstelle stecken übrigens das Thünen-Institut und „United Against Waist e.V.“.

Das Thünen-Institut ist ein Bundesforschungsinstitut und gehört zur Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Das Thünen-Institut gliedert sich in 15 Fachinstitute und arbeitet unter anderem in den Bereichen Land- und Ernährungswirtschaft. In einem Arbeitsgebiet des Instituts für Marktanalyse wird die Reduzierung von Lebensmittelabfällen in verschiedenen Projekten entlang der Wertschöpfungskette untersucht.