Machen ihrem Namen alle (A)Ehre: Ballaststoffe
Warum sind manche vermeintlichen Körnerbrötchen eigentlich falsche Fuffziger? Was haben vier Scheiben Toast mit einer Scheibe Vollkornbrot gemeinsam? Und warum sind Ballaststoffe alles andere als Ballast? Darum geht es im Interview mit Dörthe Hennemann von der DGE Sektion Niedersachsen. Im Fokus steht dabei die dritte Regel der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: „Vollkorn wählen!“
Vollkorn: Der Name ist Programm, hier ist im Gegensatz zum Weißmehl das ganze Korn verarbeitet. Warum ist das besonders gut für uns?
Das Korn besteht aus drei Teilen, nämlich der Kleie, also der äußeren Hülle, dem Keim und dem Mehlkörper. Alle drei Teile sind beim Vollkornprodukt enthalten, beim Weißmehl dagegen wird nur das Innere des Korns, also vor allem der Mehlkörper verwendet. Der Mehlkörper enthält größtenteils Kohlenhydrate und auch Proteine, aber wenig Mineral- und Ballaststoffe. Die Mineralstoffe und Ballaststoffe sitzen vor allem in der Kleie. Auch der Keim enthält Mineralstoffe und Vitamine, zum größeren Teil aber Eiweiß und Fett. Wer sich für Vollkorn entscheidet, bekommt damit das ganze Paket, inklusive Mineral- und Ballaststoffen sowie Vitaminen. Auf der Internetseite des BZfE gibt es übrigens eine tolle Übersicht über Inhaltsstoffe von Brot und Brötchen.
Dabei sind Ballaststoffe ziemlich wichtig in unserer Ernährung. Sie können nicht nur unser Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, sondern die Gefahr mindern, an Dickdarmkrebs und Stoffwechselerkrankungen zu erkranken…
…Ganz genau! Ballaststoffe sind super, sie sättigen nicht nur lange, sondern regen auch die Verdauung an und binden Cholesterin im Darm, sodass auch der Cholesterinspiegel im Blut sinkt. Außerdem haben Ballaststoffe eine probiotische Wirkung. Sie versorgen die positiven, im Dickdarm ansässigen Mikroorganismen mit Nährstoffen.
Was empfiehlt die DGE, wie viel Ballaststoffe sollten wir am Tag essen?
Die Empfehlungen liegen bei 30 g am Tag. Vollkornprodukte spielen dabei eine wichtige Rolle. Das beweist ein einfaches Beispiel: Eine Scheibe Vollkornbrot (50 g) hat rund 4 g Ballaststoffe. Wenn ich versuche, diese Menge an Ballaststoffen mit Toastbrot (30 g je Scheibe) zu erreichen, brauche ich ganze vier Scheiben. Diese vier Scheiben Toast haben dabei mehr als dreimal so viele Kalorien wie das Vollkornbrot.
In vielen Köpfen hat sich beim Brot und Brötchenkauf verankert „Je dunkler desto besser“. Das stimmt so leider nicht – wie treffe ich beim Bäcker die richtige Wahl?
Mit Zuckerrübensirup oder Karamellsirup beispielsweise können Brote dunkel gefärbt werden. Die Farbe sagt deshalb nichts über den Vollkorngehalt aus. Am besten die Zutatenliste lesen oder die Verkaufspersonen fragen. Wenn an vorderster Stelle der Zutatenliste die Bezeichnung „Vollkorn“ steht, dann enthält das Brot oder Brötchen auch einen relevanten Anteil an Vollkorn. Der Produktname kann genauso Aufschluss geben: Ist das Wort Vollkorn enthalten, muss das Brot oder Brötchen aus mindestens 90 % Vollkorn bestehen.
Vollkorn muss übrigens nicht unbedingt Korn an Korn bedeuten: Auch ein fein gemahlenes Vollkornmehl enthält das ganze Korn und ist damit genau so wertvoll wie Korn an Korn-Brote. Farblich ist es oft noch nicht einmal dunkler als ein normales Roggen-Mischbrot.
Gerade Vollkornreis und Vollkornnudeln sind für viele gewöhnungsbedürftig. Mit welchen Tipps gelingt die Umstellung leichter?
Für den Anfang ist Mischen ist eine gute Idee. Normale Nudeln oder Reis einfach gemischt mit dem Vollkorn-Pendant servieren und dann Stück für Stück den Vollkornanteil erhöhen. Dabei die unterschiedliche Garzeit beachten. Mit einer leckeren Soße oder in Form von Auflauf und in Kombination mit Gemüse schmecken Vollkornprodukte auch Skeptikern. Vollkornnudel ist außerdem nicht gleich Vollkornnudel – einfach unterschiedliche Variationen und Hersteller ausprobieren, denn die Produkte variieren im Geschmack.
Fein gemahlenes Vollkornmehl eignet sich übrigens auch zum Andicken von Suppen und Soßen. Auch bei Mehlspeisen wie Pfannkuchen lässt sich Stück für Stück weißes Mehl durch Vollkorn ersetzen. So lässt sich Vollkorn spielerisch einfach in den Speiseplan einbauen.
Mittlerweile gibt es als Alternative zu (Vollkorn-)Nudeln auch Produkte aus Linsen- oder Erbsenmehl. Wie steht die DGE dazu?
Diese Alternativen sind ganz hervorragend. Sie bringen Farbvielfalt und Salaten beispielsweise geben sie geschmacklich einen tollen Touch. Gerade für Patienten mit einer Gluten-Unverträglichkeit(Zöliakie) sind sie ein gutes Angebot. Im Ballaststoffgehalt stehen Linsen- und Erbsennudeln den Vollkornnudeln in nichts nach.
Bei Nudeln und Brot greifen viele auch gern zu Dinkelprodukten. Warum ist das keine Alternative zu Vollkorn?
Dinkel ist auch eine Art des Weizens. Es hat einen schönen, nussigen Geschmack und enthält etwas mehr Eiweiß, Magnesium, Zink und Eisen als Weizen. Insgesamt sind die Unterschiede im Nährstoffgehalt aber gering. Um den Ballaststoffgehalt zu erhöhen, ist daher auch hier ratsam zur Vollkornalternative greifen.
Das Interview mit Dörthe Hennemann ist das dritte der insgesamt zehn Interviews zu den 10 Regeln der DGE. Im kommenden Monat sprechen wir mit Sonja Pöhls von der DGE Sektion Niedersachsen über die vierte Regel der DGE: Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen.