ZEHN - Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen

Fairer Kaffee als Selbstverständnis – die Stadt Bad Bentheim zeigt wie Fairer Handel geht

„Dein Einkaufszettel ist deine Stimme.“ Auch Kommunen können dabei als Vorbild vorangehen. So hat die Stadt Bad Bentheim seit 2018 durch einen Ratsbeschluss verankert, dass nur noch Kaffee aus Fairem Handel für interne Sitzungen gekauft werden darf. Und auch in der Stadt selbst soll das Thema stärker sichtbar sein. Wir haben mit Malena Hesping, Nachhaltigkeitsmanagerin der Stadt Bad Bentheim, gesprochen und gefragt, welche Rolle Fairer Handel vor Ort spielt.

Malena Hesping
© Malena Hesping

Mit dem Ratsbeschluss bekennt sich die Stadt Bad Bentheim klar zum Fairen Handel. Warum setzen Sie sich dafür ein?

Wir brauchen fairen Handel und nachhaltigen Konsum, um in einer lebenswerten Welt zu leben. Die extremen Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Ausbeutung von Menschen und Umwelt zerstören unsere Lebensgrundlagen. Die Stadt ist dabei nicht nur selbst Konsumentin, sondern gleichzeitig Vorbild für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Vereine und Partner. Mit dem Ratsbeschluss für das Bekenntnis zum Fairen Handel 2018 sind wir als „Fairtrade-Town“ ausgezeichnet worden.

Eine Auszeichnung als „Fairtrade-Town“ – das klingt nach einem starken öffentlichen Bekenntnis.

Nicht nur das: Darüber hinaus hat die Stadt Bad Bentheim 2021 die Musterresolution „2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ unterzeichnet. Neben 231 weiteren Kommunen in Deutschland bekennen wir uns dazu, Nachhaltigkeit in der Region zu verankern und gleichzeitig weltweit voranzutreiben. Denn für uns ist klar: Nur mit besserer Gesundheit und Bildung, weniger Ungleichheiten, fairen Arbeitsbedingungen, ohne Armut und mit intakten Ökosystemen lässt es sich auch in Zukunft gut auf diesem Planeten leben.

Keine Armut, bessere Bildung, faire Arbeitsbedingungen – das sind große Ziele. Mit welchen Maßnahmen geht die Stadt selbst – also intern – als Vorbild voran?

Die Stadt Bad Bentheim beschafft seit dem Ratsbeschluss viele Produkte nachhaltig und fair gehandelt. Insbesondere ist der Kaffee, der bei Sitzungen und Meetings ausgeschenkt wird, bio und fairtrade. Orangensaft, Zucker und Schokoladenkekse werden ebenfalls fair gehandelt eingekauft. Milch ist bio und Mineralwasser wird selbst gesprudelt. Die oft üblichen Softdrinks sind gänzlich verschwunden. Für Repräsentationszwecke gibt es fair gehandelte Schokolade mit Bad Bentheimer Motiv.

Das sind einige Veränderungen im Lebensmittelbereich. Gibt es weitere Non-Food-Änderungen oder gar kein ganzes Konzept?

Ja, fairtrade zieht sich durch verschiedene Bereiche: Bei Büromaterial wird auf Recyclingmaterial gesetzt und nach Möglichkeit ausgezeichnete Produkte mit dem Blauen Engel beschafft. Auch bei der Ausschreibung von Baumaßnahmen werden Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Seit 2020 bezieht der Servicebetrieb fair gehandelte Arbeitskleidung.

Alles in allem hat die Stadt an dem Projekt „Global nachhaltige Kommune“ teilgenommen. Ziel war es, Nachhaltigkeit noch stärker zu verankern und eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten. Diese wird Ende dieses Jahrs fertiggestellt. So werden auch der Haushalt und die Zielsteuerung auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Darüber hinaus ist es Ihnen wichtig, dass auch die Stadtbevölkerung zum Thema einbezogen wird. Wie gehen Sie hier vor?

Es werden jährlich unterschiedliche Aktionen und Veranstaltungen zu den Themen Fairer Handel und Nachhaltigkeit durchgeführt. Eine ehrenamtliche Nachhaltigkeitsgruppe organisiert und unterstützt viele Aktionen. In der Fairen Woche im September finden Aktionen, wie z.B. Weinverkostung, Besuch von Bauernhöfen und Hofläden, Radtouren, Filmvorführungen oder Ausstellungen statt. Und auf dem Weihnachtsmarkt schenkt die Gruppe fair gehandelten Kakao aus und informiert über Fairtrade.

Und wie können Ihre Bürger*innen Fairtrade-Produkte erkennen? Was sind aus Ihrer Sicht hilfreiche Tipps für zuhause?

Mittlerweile gibt es Bio- und fair gehandelte Produkte in nahezu jedem Supermarkt. Der Überblick und die Entscheidung sind dennoch nicht immer einfach. Bei so vielen Labels, Etiketten und grün designten Verpackungen können Verbraucher*innen leicht mal den Überblick verlieren. Wichtig finde ich, sich zunächst immer zu fragen: Brauche ich dieses Produkt wirklich? Denn ein Produkt, was nicht gebraucht wird, muss nicht gekauft, nicht transportiert, nicht hergestellt, nicht verpackt, nicht designed und nicht beworben werden und verursacht dadurch weder Emissionen und Umweltverschmutzungen noch Menschenrechtsverletzungen. Natürlich will und kann man nicht auf alles verzichten. Dann lohnt es sich immer zu überlegen wo das Produkt eigentlich herkommt, wie aufwendig es hergestellt wurde und bei frischen Lebensmitteln, ob es gerade Saison hat. Siegel sind nicht immer der Königsweg, aber sie können oft eine gute Orientierung leisten. Gute Übersichten bieten die Internetseiten „Labelchecker“ und „Siegelklarheit“.

Finden die Bürger*innen vor Ort denn auch ausreichend Fairtrade-Produkte, um diese auch zuhause zu etablieren?

Auch viele Gastronomiebetriebe und örtliche Händler in Bad Bentheim bieten fair gehandelte Produkte an. Viele davon sind im „Bad Bentheimer FAIRführer“ gelistet. Ein Flyer, der Händler, Hofläden und Gastronomiebetriebe sowie öffentliche Einrichtungen listet, die faire gehandelte oder regionale Produkte anbieten. Darüber hinaus gibt es einige Informationen über fairen Handel, Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung auf der städtischen Website. In Kooperation mit dem Unabhängigen Jugendhaus sowie den örtlichen Schulen werden auch Kinder und Jugendliche für Nachhaltigkeit und lokale Handlungsmöglichkeiten sensibilisiert. 

2021 haben Sie mit Ihrem Engagement als Fairtrade-Town 20.000 € in einem Bundeswettbewerb gewonnen. Wofür haben Sie dieses Preisgeld eingesetzt?

Das Preisgeld wurde zum Teil für Projekte der Nachhaltigkeitsgruppe eingesetzt. Außerdem wurden fair gehandelte Fußbälle für Jugendmannschaften beschafft. Und es wurden lokale Gastronomiebetriebe bei der Einführung von Mehrwegangeboten unterstützt. Der größte Teil wird jedoch für die in diesem Jahr anstehende Einrichtung eines Nachhaltigkeitsraums verwendet werden. Der Faire Handel und Nachhaltigkeit sollen noch breiter und noch tiefer im Bewusstsein der Bad Bentheimer verankert werden. Er soll als Treffpunkt für die Nachhaltigkeitsgruppe, für Ausstellungen und Bürgerinformation genutzt werden und der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit dienen.

 

Fairer Kaffee, ein Nachhaltigkeitstreffpunkt und ein Wegweiser für die Bürger*innen: die Stadt Bad Bentheim geht mit vielfältigen Ansätzen voran. Ein Einsatz, der sich lohnt – für mehr Gerechtigkeit, weniger Ausbeutung und bessere Lebensgrundlagen. Die Stadt Bad Bentheim hat im Blick, welche Auswirkungen ihr Handeln hier vor Ort auf andere Menschen und andere Länder in der Welt hat. Vielen Dank für Ihr Engagement.